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In Gedanken weit weg

Eine Party als Wiege allen Glücks? Fünf junge Leute suchen nach dem Sinn ihres Lebens - aber erst mal reden sie über Salat. Oliver Krietsch-Matzura hat "Open End" am Kölner Artheater inszeniert

VON HOLGER MÖHLMANN

Wie sieht der perfekte Salat aus? Und vor allem: Welche Richtung gibt er dem weiteren Leben? Kardinalfragen, mit denen sich zur Zeit fünf junge Leute auf der Bühne des Kölner Artheaters beschäftigen. In seinem Stück "Open End" lässt Autor John Birke seine Figuren Sätze sprechen, die zunächst einmal banal klingen, weil sie um ein banales Thema kreisen: Fünf Freunde planen eine Party, reden über Salate, reden über Deko und Musikauswahl, über Gäste und Gläser, Longdrinks und Beleuchtung.

Doch von Anfang an schwingt da etwas Anderes mit: Die Gastgeber denken weit über das Ereignis hinaus. Sie haben die Party schon abgehakt, sind in Gedanken längst beim großen Glück angekommen, das mit der Sause beginnen soll. Denn wo, wenn nicht dort, werden sie im Mittelpunkt stehen, die große Liebe treffen oder "entdeckt" werden? Von wem und für was auch immer. Deshalb muss alles perfekt sein, das Outfit muss stimmen und der Salat zur Persönlichkeit passen. So nimmt die Sache dann ihren Lauf.

Partyspaß als Ausdruck der Sinnsuche, Feiern als emotionaler Gottesdienst für junge Leute, die nicht wissen, was sie wollen - neu ist dieses Konzept auf der Theaterbühne nicht. Spannender ist die Art und Weise, mit der das Ensemble um Regisseur Oliver Krietsch-Matzura die Mischung aus hysterischer Partyvorfreude und heimlicher Lebensangst, aus hemmungslos überzogenen Zukunftserwartungen und realer Orientierungslosigkeit szenisch umsetzt. Schon im Eröffnungsbild korrespondieren runde Teppichflicken mit schillernden Seifenblasen, die eine Akteurin ins Bühnenbild pustet. In Superlativen und Übertreibungen spinnen sich die Protagonisten die Seifenblase ihrer Party zusammen, obwohl die Tonlosigkeit ihrer Stimmen und die unbehagliche Musik die vollmundigen Erwartungen Lügen strafen.

Später geben die Darsteller dann alles: Es wirkt zuweilen wie ein Potpourri dessen, was sie in Sachen kreatives Bühnenspiel gelernt haben, wenn sie postpubertär herumschreien und hyperventilieren, mit ihren Körpern auch ihren Geist verrenken, in romantische Phantasien versponnen über den Boden rollen oder das Publikum wie beim Partysmalltalk ins Gespräch ziehen. Und sie machen ihre Sache gut. Trotz einiger sperriger Regieeinfälle gelingt es dem Ensemble durch plakatives und subtiles Bühnenspiel, die Kernaussage des Stücks überzeugend umzusetzen. Die dargestellten Figuren sind einfach keine wilden Partyhengste. Sie sind erhitzt, nicht exzessiv. Sie steigern sich in große Erwartungen hinein, die sie durch ihren Kleinmut sofort wieder verpuffen lassen.

Diese unlockeren Jugendlichen phantasieren sich ein Leben zwischen Himmel und Hölle zusammen, eben weil ihr durchschnittliches Dasein nichts von beidem hat. Aber eine Fete wird da nicht helfen. Ihre Traumparty wird kein offenes Ende haben, denn sie fängt schon völlig verkehrt an. Ein Stück mit Potenzial zum Nachdenken - nicht nur über den Sinn im Salat.

taz NRW Nr. 7850 vom 20.12.2005, Seite 4, 105 Zeilen (Kommentar), HOLGER MÖHLMAN

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